top of page

Unsichtbar gemacht: Warum der weibliche Zyklus im Patriarchat keinen Platz hatte – und warum wir das ändern müssen

  • Autorenbild: Aline Calderón
    Aline Calderón
  • 6. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Zyklus-Wissen bedeutet Macht: Lass uns gemeinsam Tabus brechen und die Zukunft umschreiben.
Zyklus-Wissen bedeutet Macht: Lass uns gemeinsam Tabus brechen und die Zukunft umschreiben.

In einer Welt, die von Produktivität, Leistung und linearen Prozessen geprägt ist, wird oft vergessen, dass Menschen mit Gebärmutter nicht linear „funktionieren“. Wir sind zyklische Wesen – wie der Mond, wie die Natur selbst. Doch unser natürlicher Rhythmus, unser weiblicher Zyklus, wurde über Jahrhunderte unsichtbar gemacht, tabuisiert, sogar als Schwäche gebrandmarkt. In einem patriarchalen System, das Stärke mit Konstanz verwechselt, hatte der Zyklus keinen Platz.


Doch was bedeutet das für uns? Und warum ist das ein gesellschaftliches Problem, das uns alle betrifft?


Die Unsichtbarkeit des Zyklus beginnt früh

Die meisten von uns erinnern sich: Die erste Menstruation war selten ein Grund zum Feiern. Vielmehr wurde uns direkt vermittelt, dass unser Blut etwas ist, das versteckt gehört. Tampons in der Handfläche, Pullover um die Hüften, das stille Austauschen von Schmerztabletten auf der Schultoilette – das alles war (und ist) für viele Alltag.

Statt unseren Körper zu verstehen, haben wir gelernt, ihn zu kontrollieren. Schmerzen? Nimm die Pille. Zyklusbeschwerden? Ignorier sie. Der Zyklus wurde in eine Schublade gesteckt: lästig, störend, unberechenbar. Und mit der Pille haben viele von uns ihn quasi auf „Mute“ gestellt – oft ohne wirklich zu wissen, wie unser Körper ohne hormonelle Regulierung eigentlich funktioniert.


Dass im Sexualkundeunterricht über Verhütung gesprochen wurde, aber kaum jemand die vier Zyklusphasen oder die hormonellen Zusammenhänge erklärt bekam, ist kein Zufall. Denn ein System, das Menschen möglichst berechenbar und produktiv halten möchte, hat kein Interesse an einem Verständnis für zyklische Prozesse.


Zyklizität passt nicht ins patriarchale System

Das Patriarchat ist auf Linearität ausgelegt: Feste Arbeitszeiten, konstante Produktivität, tägliche Leistung – unabhängig von biologischen Schwankungen. Der weibliche Zyklus mit seinen Phasen von Hoch- und Tiefpunkten, von Aktivität und Rückzug, passt da nicht hinein. Also wurde er aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein verdrängt.

Was bedeutet das konkret?

  • Zyklusbedingte Erschöpfung wird als Schwäche gelesen.

  • Die natürliche Schwankung von Energie und Stimmung wird als unprofessionell abgetan.

  • Menstruationsbeschwerden gelten als „Problem der Frau“ – nicht als gesellschaftliches Thema.

Dass wir unsere eigenen Körper oft nicht verstehen, ist kein individuelles Versagen. Es ist das Ergebnis einer strukturellen Unsichtbarmachung.


Warum das gefährlich ist

Ein Zyklus, der als Störung betrachtet wird, kann auch nicht als Ressource genutzt werden. Dabei ist unser Zyklus genau das: eine Ressource. Ein innerer Kompass, der uns Hinweise gibt, was wir brauchen – körperlich, emotional, mental. Wenn wir unseren Zyklus kennen, verstehen wir uns selbst besser. Und genau darin liegt eine Kraft, die lange systematisch kleingehalten wurde.

Denn wer sich mit sich selbst verbindet, beginnt, Systeme zu hinterfragen.


Zykluswissen ist radikal – und empowernd

Sich Wissen über den eigenen Zyklus anzueignen, ist ein politischer Akt. Es bedeutet, dem eigenen Körper zuzuhören, statt ihn zu unterdrücken. Es bedeutet, das Narrativ zu durchbrechen, dass wir immer gleich funktionieren müssen. Und es bedeutet, kollektiv Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die nächste Generation anders aufwachsen darf.

Wir müssen anfangen, über den Zyklus zu sprechen – in Unternehmen, in Schulen, in Familien. Nicht als Problem, sondern als etwas völlig Normales. Als das, was er ist: eine Quelle von Klarheit, Kraft und Selbstbestimmung.


Zyklusbewusstsein als Schlüssel für echte Gleichberechtigung

Was wir jetzt brauchen, ist ein kollektives Umdenken. Ein neues Bewusstsein – nicht nur bei Frauen, sondern in der gesamten Gesellschaft. Männer müssen dieses Wissen genauso verstehen, anerkennen und embracen. Nicht, weil sie selbst zyklisch sind, sondern weil sie Väter, Partner, Kollegen, Führungskräfte oder Entscheidungsträger sind. Weil sie Strukturen mitgestalten, in denen Menschen mit Zyklus entweder funktionieren müssen – oder endlich ihr volles Potenzial entfalten können.


Es braucht Arbeitsmodelle, die Zyklizität nicht als Schwäche, sondern als natürliche Grundlage anerkennen. Es braucht Bildung, die Mädchen und Jungen gleichermaßen über den Zyklus aufklärt. Es braucht Gespräche, in denen über Menstruation, Energiephasen und hormonelle Schwankungen genauso selbstverständlich gesprochen wird wie über Projekt-Deadlines.


Nur wenn wir gemeinsam die Tabus brechen und zyklisches Wissen neu denken, können wir Strukturen schaffen, in denen zyklische Menschen sich nicht länger anpassen müssen – sondern im Einklang mit ihrem Körper leben und arbeiten können. Das ist keine Utopie. Das ist Gleichberechtigung auf einer tieferen Ebene. Und sie beginnt jetzt.


Mein Wunsch

Ich wünsche mir, dass niemand mehr Tampons verstecken muss und dass Perioden-Unterwäsche und "free-bleeding" das neue Normal wird. Dass wir Zyklus-Wissen nicht in Nischen-Workshops, sondern in Schulbüchern lernen. Dass auch Männer wissen, was in einem weiblichen Zyklus passiert – und was das für ihr Umfeld bedeutet.

Denn am Ende ist Zyklus-Bewusstsein nicht „Frauenthema“. Es ist Menschlichkeit.


Der weibliche Zyklus gehört nicht auf „Mute“. Er gehört ins Licht. Lass uns gemeinsam Tabus brechen – und das Wissen reclaimen, das uns nie hätte genommen werden dürfen. Nicht nur für uns. Sondern für alle.

Kommentare


bottom of page